Jährlich grüßt das Mitarbeitergespräch: vom Stolperstein zur Chance (1/2)
Der Jahreswechsel ist traditionell die Zeit der Mitarbeiterjahresgespräche.
In vielen Unternehmen laden die Führungskräfte in diesen Tagen ihre Mitarbeiter zum Gespräch – oft, ohne vorher zu wissen, warum überhaupt. „Einmal im Jahr ist eben Mitarbeitergespräch“. Als Begründung sollte das nicht reichen. Schließlich ist das Mitarbeiterjahresgespräch eines der bedeutendsten Werkzeuge des Personalers und auch für den Mitarbeiter stellt es vor allem eine wichtige Informationsquelle dar. Der Austausch von Informationen steht für beide Parteien im Zentrum des Interesses. Der Mitarbeiter hat die Möglichkeit, eine Rückmeldung zu seinen Leistungen und Antworten auf betriebsinterne Fragen zu bekommen. Sein Gegenüber eruiert hingegen die Zukunftspläne des Arbeitnehmers und mögliche betriebliche und außerbetriebliche Wünsche, die den Verbleib im Unternehmen beeinflussen könnten. Auch Fortbildungsbedarf auf beiden Seiten sowie der Stand einer möglichen aktuellen Fortbildungsmaßnahme auf Seiten des Arbeitnehmers können beleuchtet werden.
Gerade diese Möglichkeit des Informationsaustauschs macht die Termine aktuell so wertvoll. Der Grund dafür ist folgender: In Zeiten des Fachkräftemangels sind Talente begehrt auf dem Arbeitsmarkt und werden von Unternehmen entsprechend umworben. Dabei reicht es nicht nur, über ein hervorragendes Recruiting zu verfügen und die Mitarbeiter in das Unternehmen zu locken. Vielmehr müssen sie nachhaltig begeistert werden, um nicht bei der nächstbesten Gelegenheit wieder abzuwandern. Hier erfüllt das Mitarbeitergespräch mehrere Funktionen. Es gewährt dem Unternehmen Einblicke in die Zufriedenheit und die Pläne des Mitarbeiters und hilft so, kündigungswilliges Personal zu erkennen. Es vermittelt dem Mitarbeiter aber auch Wertschätzung und hilft so, ihn im Unternehmen zu halten. Auch die Möglichkeit, die Karriereplanungen des Mitarbeiters mit den strategischen Plänen, die das Unternehmen mit ihm verfolgt, in Einklang zu bringen, zeichnet den jährlichen Gesprächstermin aus.
Nicht nur deswegen ist das Mitarbeiterjahresgespräch eine Institution, deren Daseinsberechtigung oft nicht angezweifelt wird. Ein folgenschwerer Fehler, wie Studien belegen. Das Konzept des jährlichen Mitarbeitergesprächs entspricht schlichtweg nicht mehr den aktuellen Erkenntnissen. Laut einer globalen Studie von Kantar TNS hielten lediglich 56% der Befragten ihr letztes jährliches Mitarbeitergespräch für fair. 78% der Personaler attestierten einem jährlichen Gespräch fehlende Effektivität, 56% halten es nicht für geeignet, die Leistung der Mitarbeiter akkurat einzuordnen und fast jeder Dritte war sogar der Meinung, dass die Performance der Mitarbeiter durch das Gespräch nicht gesteigert, sondern verringert wurde. Auch andere Umfragen kommen zu ähnlichen Ergebnissen.
Das Mitarbeiterjahresgespräch ist eher eine Last als eine Hilfe. Mitarbeiter wie Personaler äußern sich negativ über den jährlichen Termin, der zusätzlich noch wertvolle Zeit verschlingt. Die Lösung liegt im Verzicht auf das jährliche Mitarbeitergespräch. Eine Ära geht zu Ende. Ein Fixpunkt im Arbeitsjahr verschwindet. Klug ist diese Lösung jedoch nur unter einer Prämisse: Der Wegfall darf nicht ersatzlos erfolgen. Schließlich hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der vielbeachteten Studie „Arbeitsqualität und wirtschaftlicher Erfolg“ auf der Suche nach Mitteln zur Mitarbeitermotivation und –bindung die besondere Bedeutung von Mitarbeitergesprächen herausgestellt. Die Längsschnittstudie zeigte unter anderem, dass sich Arbeitnehmer nach den Mitarbeitergesprächen besonders wertgeschätzt gefühlt haben und das Gefühl hatten, dass das Unternehmen an ihrer Weiterentwicklung interessiert wäre. Der eigentlich positive Charakter des Mitarbeitergesprächs als Werkzeug der Personaler gilt also noch immer als zweifellos. Das Problem liegt scheinbar an anderer Stelle.
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